Kinder sind Teamplayer und kooperieren mit bedeutsamen Bindungspersonen

Kinder sind Teamplayer und kooperieren mit bedeutsamen Bindungspersonen

Kinder sind Teamplayer

Paulas erster Tag im Kindergarten

Heute wird etwas Spannendes passieren, das merkt Paula sofort nach dem Aufstehen. Mama ist heut nervöser als an anderen Tagen. Und irgendwie ist auch ihr Verhalten anders. Noch mehr als sonst drückt sie mich ständig an sich und betont, dass ich ihre „Große“ wäre. Was geht hier vor? Wie immer zieht sie mich an, wir gehen gemeinsam ins Bad und dann gibt es Frühstück. Nach dem Frühstück spielen wir immer zusammen, diese Zeit liebe ich. Heute aber holt Mama meine Jacke und meine Schuhe und zieht mich an. Super, denke ich mir. Heute gehen wir schon vor dem Mittagessen nach draußen. Aber Moment mal, Mama nimmt auch ihren Autoschlüssel. Das habe ich ganz genau beobachtet. 

Wenig später sind wir angekommen. Das Gebäude kenne ich noch nicht. Aber es sieht sehr fröhlich aus, sehr bunt und ich höre schon die vielen Kinderstimmen. Wir gehen nach drinnen und da begrüßen uns viele neugierige Kindergesichter und eine Frau. Sie sieht nett aus und sie kennt meinen Namen. „Hallo Paula, wir haben schon auf dich gewartet.“ Ich schaue Mama an, sie lächelt mir hoffnungsvoll zu. Dann gehen wir in ein Spielzimmer. Wir setzen uns alle auf den Spieleteppich und ich fange an, Bauklötze zu stapeln. Ich spiele ganz vertieft und bemerke gar nicht, dass Mama aufgestanden ist. Plötzlich dämmert es mir. Wo ist sie? Ich schaue mich suchend um. Ah, da hab ich sie entdeckt. Sie steht in der Nähe der Tür und schaut mir beim Spielen zu. Ich dachte schon, sie will sich aus dem Staub machen. Aber nicht mit mir. Ich laufe zu ihr und sie nimmt mich auf den Arm, um mich zu beruhigen. 

Wenig später sitze ich wieder mit der Frau auf dem Spieleteppich. Ich weiß jetzt schon, dass sie Maria heißt. Sie ist sehr nett und zeigt großes Interesse an mir. Wir spielen lange miteinander und dann zeigt sie mir auch noch die anderen Spielräume. Ich glaube, mir könnte es hier gefallen. Als wir wieder nach Hause fahren, fragt Mama mich, ob ich morgen wieder zu Maria möchte und auch mal mit den anderen Kindern spielen will. Keine schlechte Idee, denke ich mir. Zu Maria habe ich wirklich sehr schnell Vertrauen gefasst. 

Verbundenheit als Grundbedürfnis 

Paulas erster Tag im Kindergarten ist sehr aufregend für sie. Es gibt viele neue Eindrücke und viel Neues zu entdecken. Wichtig ist hierbei, dass eine Bezugsperson stets an ihrer Seite ist. In diesem Fall ihre Mutter. Zu ihr hat Paula ein Urvertrauen und eine sehr enge Verbundenheit bereits seit ihrer Geburt. Für Paula ist es wichtig, dass ihre Mutter sie in neuen Situationen und unbekannten Umgebungen unterstützt und nicht allein lässt. Und das ist schließlich nicht nur von Paula, sondern von allen Kindern ein Grundbedürfnis.

Ein Kind kommt mit zwei Grundbedürfnissen auf die Welt. Diese Grundbedürfnisse und zugleich Grunderfahrungen sind fest im Gehirn des Kindes verankert. Das Kind macht erstens die Erfahrung bereits im Mutterleib von engster Verbundenheit und zweitens die Erfahrung, durch die Sicherheit der Verbundenheit immer wieder neu über sich hinauswachsen zu können. (vgl. Hüther/Nitsch 2008, S. 19). Mit diesen Vorerfahrungen entsteht die Grundlage von Vertrauen, Offenheit und Lernfähigkeit. Das Kind macht sich also auf den Weg, die Welt zu entdecken. Die dem Kind anvertrauten Bezugspersonen stehen in der Verantwortung das Kind dabei zu begleiten und den ständigen Drang, Neues zu lernen und Neues zu entdecken zu unterstützen.

Eine Beziehungskompetenz bedeutet nicht, das Verhalten zu sehen, sondern das Kind, das sich ausdrückt. Kinder zeigen ihre spontanen Reaktionen auf die Beziehungen, in denen sie sich befinden, ihre Möglichkeiten sich auszudrücken. Die Wahrnehmung gesehen zu werden, unterscheidet sich vollkommen von der Wahrnehmung angeschaut, beobachtet, entlarvt oder betrachtet zu werden. 

Wichtig:

Kinder zu sehen bedeutet mehr als ihr „unmittelbares, am stärksten ins Auge fallendes Verhalten“ zu sehen!

Als Bindungspersönlichkeit und Beziehungsperson ist es die Aufgabe, „hinter“ das Verhalten zu sehen. Welche Botschaft möchte mir das Kind mit dem Verhalten zeigen? Welche Entwicklungsbotschaft steckt hinter dem gezeigten Verhalten? 

Wichtig:

Pädagogische Fachkräfte können verlässliche Beziehungspersonen sein; Kinder realisieren das Bindungsverhalten zu den Fachkräften unabhängig von ihrer Elternbeziehung.

Exkurs in die Bindungsforschung:

Laut der Bindungsforschung sind Kinder von Geburt an bindungskompetent: Das Bindungsverhalten ist angeboren: Weinen, klammern, protestieren…

Das Selbstgefühl, Selbstwertgefühl und das somit entstehende Selbstkonzept des Kindes ist davon abhängig, inwieweit die Beziehungspersonen die Grundbedürfnisse des Kindes achten und befriedigen. Das Selbstgefühl als Kind ist davon abhängig, inwieweit ich im anderen Menschen Halt finde. Ist das Bedürfnis nach Nähe gestillt? 

Das Kind ist innerpsychisch abhängig. Die Kooperation mit Erwachsenen passiert direkt, indirekt oder spiegelverkehrt. Kinder die nicht wahrgenommen werden, betteln um Aufmerksamkeit und fordern Aufmerksamkeit durch „auffälliges Verhalten“. 

Die Bindungspyramide

Quelle: Klinikum der Universität München

Das Kind entwickelt ab dem 1. Lebensjahr eine Art Rangfolge zwischen den Bindungspersonen. Es wird unterschieden zwischen den „primären und sekundären Bindungspersonen“. Das Kind entscheidet unbewusst über diese Rangfolge. Häufig lässt sich diese Rangfolge an „Kleinigkeiten“ aufzeigen. Die „primäre Bindungsperson“ wird hierbei am sehnsüchtigsten herbeigesehnt, wenn das Kind Trost braucht, sich unwohl oder krank fühlt, oder anderen Stress verspürt. 

Das Bindungssystem ist nur bei Stress aktiviert. Das Gegenteil ist das Explorationssystem. Das Explorationssystem ist aktiv, wenn das Kind spielt und die Umwelt erkundet. Immer nur eines der beiden Systeme ist aktiv. 

Wenn ein Kind circa ein Jahr alt ist, hat es bereits verschiedene Erfahrungen mit Bindungspersonen gemacht. Es erkennt also wiederkehrende Situationen und die Reaktion der Bindungsperson auf diese Situationen. Diese wiederkehrenden Muster lassen ein „inneres Arbeitsmodell“ entstehen. Dieses innere Selbstbild, also wie sich das Kind selbst sieht, wird bestimmt durch die Reaktionen von Bindungspersonen. Wird dem Kind das Gefühl gegeben liebenswert oder lästig zu sein? 

Optimal feinfühlige Bindungspersonen:

  • Sind aufmerksam gegenüber dem Verhalten von Säuglingen/Kleinkindern
  • Interpretieren die Signale richtig
  • Reagieren auf diese Signale prompt und angemessen

Auch Paula weiß mittlerweile, dass sie mehrere Bezugspersonen hat, denen sie ihr Vertrauen schenken und auf die sie sich verlassen kann. Ihre Mutter als auch ihre Erzieherin sind sehr aufmerksam gegenüber ihrem Verhalten und reagieren auf Paulas Signale. In alltäglichen Situationen im Kindergarten und auch zu Hause erfährt sie schließlich eine große Verbundenheit und Geborgenheit und entwickelt so zunehmend ein starkes Selbstwertgefühl.

Paula fühlt sich verbunden

Mittlerweile kann ich es kaum erwarten, dass Mama mich morgens weckt und in den Kindergarten bringt. Es gibt hier so viele Spielsachen und ich habe bereits erste Freundschaften schließen können. Vor allem mit Max spiele ich zu gerne verstecken. Und mit Maria habe ich eine ganz feste Bindung aufbauen können. Auch wenn ich sehr traurig bin, schafft sie es, mich zu trösten. Das konnte vorher nur Mama. Mama hingegen ist jetzt die Einzige, der es manchmal schwerfällt, mich gehen zu lassen. Wenn ich schon zu den Kindern losdüsen will, besteht sie jedes Mal noch auf eine Umarmung. Dann merke ich, wie lieb sie mich hat und dass ich mich auf sie verlassen kann. 

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