„Um ein Kind aufzuziehen, braucht es ein ganzes Dorf.“
„Um ein Kind aufzuziehen, braucht es ein ganzes Dorf.“
– afrikanisches Sprichwort –
Felix ist 3,8 Jahre alt. Er geht seit einem Jahr in die Kita Villa Kunterbunt. Jeden Morgen kommt er um 9:30 oder 10:00 Uhr. Manchmal auch später. Seine Mutter bleibt meistens circa eine Stunde. Sie kann sich nicht von Ihrem Jungen trennen.
Felix zeigt sehr aggressives Verhalten zu seiner Mutter und den anderen Kindern. Er schlägt andere Kinder, macht Spielzeug kaputt. Er hat keine Freunde in der Gruppe. Seine Mutter mischt sich überall ein, nimmt ihm alles ab.
Sie beobachtet Felix und erzählt Ihnen von Ihren Problemen mit Felix. Sie erzählt, dass er nicht vor 23:00 Uhr einschläft, räumt nicht sein Zimmer auf. Malt die Wände an. Meistens haut, beißt und kratzt Felix seine Mutter. Felix Eltern sind fürsorgliche Eltern, die sich immer liebevoll um Felix gekümmert haben. Seit einem halben Jahr streiten sich seine Eltern nur noch. Felix steht nicht mehr im Mittelpunkt. Er bekommt viel von den Streitereien mit.
Vor 8 Wochen haben sich seine Eltern voneinander getrennt. Felix lebt seitdem bei seiner Mutter. Seine Mutter hat eine Angststörung und Depression. Eine Therapie wurde bereits durchgeführt. Sie sorgt sich viel um Felix. Felix zeigt Entwicklungsdefizite im motorischen und sozial/emotionalen Bereich. Felix wird auch immer im Kinderwagen gebracht.
Wie Felix geht es in Deutschland vielen Kindern. Kinder wachsen nicht immer und immer weniger in optimalen Bedingungen auf. Viele Kinder werden in ihren Bedürfnissen und Rechten nicht gesehen. Die Gründe dafür sind vielfältig, das kann z.B. wie bei Felix eine Trennung der Eltern, Schwierigkeiten in der Erziehung sein, oder Eltern, die mit dem Leben überfordert sind und ihr Kind vernachlässigen. Weiterhin gibt es Eltern, die Ihren Kindern körperliche und psychische Gewalt zufügen.
Aber nicht nur Felix geht es so. Im Jahre 2022 meldeten Jugendämter rund 62.300 Kindeswohlgefährdungen. 2 % weniger latente, aber 10 % mehr akute Kindeswohlgefährdungen als 2021. Etwa vier von fünf betroffenen Kindern waren jünger als 14 Jahre. Hinweise von Polizei und Justiz haben sich in zehn Jahren mehr als verdreifacht. Zahlen steigend.
Was brauchen also Kinder?
Ein nigerianisches Sprichwort lautet: „Um ein Kind aufzuziehen, braucht es ein ganzes Dorf.“
Dahinter steht die Idee, dass Kinder mehrere Ansprechpartner haben, und dass die Kindererziehung nicht nur auf den Schultern von zwei Elternteilen ruhen, sondern breit verteilt werden sollte. Verwandte, Großeltern, Freunde, Nachbarn, oder aber auch Sozialarbeiter/innen, Erzieher/innen oder sogar Pflegeeltern. Die Kinder lernen dadurch mit verschiedenen Menschen zurecht zu kommen und werden eingeladen in Erfahrungsräumen sich zurecht zu finden.
Kinder müssen in entwicklungsfördernden Umgebungen aufwachsen. Die Familie stellt für Kinder den sicheren Hafen dar. So sollte es zumindest sein. Um ein Kind erfolgreich zu erziehen und zu bilden, braucht es eine gute Familienerziehung. Diese Bedingungen haben wir leider nicht in jeder Familie. Hierfür braucht es mehr als die eigene Kernfamilie. Eine wichtige Rolle spielen in diesem Fall daher auch die Großeltern, Tanten, Onkel, Geschwister, Freunde, etc. indem die Kinder in ihren Grundbedürfnissen gestillt werden und verschiedene Modelle haben, an denen sie sich orientieren können.
Aber was bedeutet das Sprichwort in Afrika im Gegensatz zu Deutschland?
Die Säuglinge werden zwar von den Müttern intensiv umsorgt und oft auf dem Rücken getragen werden; sobald sie aber selbst gehen können, sieht man sie jedoch selten mit den Eltern spielen. Sie verbringen dann die meiste Zeit mit ihren Geschwistern und Kameraden. Dabei kümmern die Größeren sich um die Kleineren.
Die anderen Erwachsenen spielen ebenfalls eine wichtige Rolle. So ist es in weiten Teilen Afrikas üblich, dass auch die Tanten «Mama» genannt werden, die Onkel «Papa» und alle anderen Verwandten und Bekannten «Tante» oder «Onkel».
Hüther: „Dazu nötig wäre eine Umgestaltung der Kommunen und Erfahrungsräumen, in denen Kinder eingeladen, ermutigt und inspiriert werden, mit verschiedenen Menschen zurecht zu kommen. Indem wir die bedeutsamen Momente des Lebens bewusst begehen – wie die Geburt eines Kindes – laden wir zum Teilen des eigenen Lebens in Gemeinschaft ein, zum Anerkennen und bewussten Gestalten von Individualität und Diversität, zum gemeinsamen Entdecken von Ressourcen, sozialem Rückhalt und Lebensfreude. Weil Feiern verbindet.“
Erziehung als Gemeinschaftsaufgabe:
Zusammenfassend zeigt das afrikanische Sprichwort, dass die Erziehung von Kindern eine Aufgabe ist, die die gesamte Gemeinschaft betrifft und dass eine Kultur der Unterstützung und Zusammenarbeit dazu beitragen kann, dass Kinder glücklich und gesund aufwachsen.