Verändertes Spielverhalten bei Kindern in Zeiten der Digitalisierung
In einer Welt, die sich rasant verändert, bleibt eines konstant: das Spiel. Es ist ein grundlegender Bestandteil der Kindheit, ein Fenster zur Fantasie und ein wichtiger Baustein für die Entwicklung. Doch das Spielverhalten von Kindern hat sich in den letzten Jahren erheblich gewandelt. Diese Veränderungen sind nicht nur bemerkenswert, sondern auch besorgniserregend.
Die digitale Revolution
Die Digitalisierung hat unser Leben revolutioniert, und Kinder sind keine Ausnahme. Laut einer Studie des Medienpädagogischen Forschungsverbunds Südwest (2020) verbringen Kinder im Alter von 6 bis 13 Jahren durchschnittlich 80 Minuten pro Tag mit digitalen Medien (Quelle: https://www.mpfs.de/studien/kim-studie/2020/). Diese Zahlen sind alarmierend, wenn man bedenkt, dass das Spiel im Freien und die Interaktion mit Gleichaltrigen in den Hintergrund gedrängt werden.
Das Spiel ist dabei nicht nur eine Form der Unterhaltung, sondern auch ein entscheidender Faktor für die soziale und emotionale Entwicklung von Kindern. Wenn der Nachwuchs weniger Zeit im Freien verbringt, aber mehr Zeit vor Bildschirmen, verlieren Kinder wichtige Fähigkeiten, die sie im Spiel mit anderen entwickeln.
Verlust der physischen Aktivität
Ein konkretes Beispiel für diese Veränderung ist der Rückgang des freien Spiels im Freien. Früher verbrachten Kinder Stunden damit, in Parks zu spielen, zu klettern und zu rennen. Heute sind viele Kinder in ihren eigenen vier Wänden gefangen, oft mit einem Tablet oder Smartphone in der Hand.
Laut aktueller Statistiken der Weltgesundheitsorganisation (WHO) bewegen sich 80 Prozent der Kinder und Jugendlichen nicht ausreichend. Die aktuellen WHO-Empfehlungen 2020 gehen von einer durchschnittlichen körperlichen Aktivität von 60 Minuten pro Tag aus – beliebig über die Woche verteilt, im Bereich mäßiger bis stärkerer Belastung überwiegend im Ausdauerbereich (Quelle: https://www.der-niedergelassene-arzt.de/medizin/kategorie/medizin/who-studie-kinder-und-jugendliche-bewegen-sich-zu-wenig).
Dabei ist Bewegung für Kinder essenziell. Sie fördert nicht nur die körperliche Fitness, sondern auch die kognitive Entwicklung. Wenn Kinder nicht ausreichend spielen und sich bewegen, kann das zu Verhaltensauffälligkeiten und emotionalen Problemen führen. Dazu gehören Auffälligkeiten im Sozialverhalten wie Distanzlosigkeit oder auch Verhaltens- oder Sprachauffälligkeiten.
Die Rolle der Eltern und Erzieher
Eltern und Erzieher spielen eine entscheidende Rolle in der Spielkultur der Kinder, da sie nicht nur die Rahmenbedingungen für das Spiel schaffen, sondern auch als Vorbilder fungieren. Hier sind einige wichtige Aspekte, wie die Spielkultur der Kinder beeinflusst werden kann:
1. Vorbildfunktion
Eltern sind oft die ersten Bezugspersonen, die Kinder beobachten. Wenn Eltern aktiv spielen, sei es im Freien oder mit Brettspielen, ermutigen sie ihre Kinder, ebenfalls aktiv zu sein. Ein aktives Spielverhalten der Eltern kann Kinder dazu inspirieren, selbst kreativ und aktiv zu werden.
2. Ressourcen und Möglichkeiten schaffen
Eltern und Erzieher haben die Möglichkeit, Spielmaterialien und -räume bereitzustellen. Dies kann von Spielzeug über Bücher bis hin zu Spielplätzen reichen. Indem sie Zugang zu verschiedenen Spielmöglichkeiten bieten, fördern sie die Vielfalt des Spiels und die Entwicklung unterschiedlicher Fähigkeiten.
3. Zeitmanagement
Die Zeit, die für das Spiel von Kindern eingeplant wird, ist entscheidend. In einer Welt, die oft von Terminen und Verpflichtungen geprägt ist, können Eltern durch bewusst eingeplante Spielzeiten sicherstellen, dass ihre Kinder ausreichend Gelegenheit haben, zu spielen und sich zu entfalten.
4. Regeln und Grenzen setzen
Eltern und Erzieher müssen auch Regeln und Grenzen für das Spielverhalten festlegen, insbesondere im Hinblick auf digitale Medien. Ein ausgewogenes Verhältnis zwischen digitalem und analogem Spiel ist wichtig, um die Entwicklung von sozialen Fähigkeiten und die körperliche Aktivität zu fördern.
5. Emotionale Unterstützung
Erziehungsberechtigte können durch ihre Unterstützung und Ermutigung das Selbstbewusstsein ihrer Kinder stärken. Wenn Kinder wissen, dass Eltern und Erzieher an ihren Spielen interessiert sind und sie unterstützen, fühlen sie sich sicherer und sind eher bereit, neue Dinge auszuprobieren.
6. Förderung von sozialen Interaktionen
Wichtig ist es, stets Gelegenheiten zu schaffen, bei denen Kinder mit Gleichaltrigen spielen können. Dies kann durch Spielverabredungen, Besuche im Park oder die Teilnahme an Gruppenaktivitäten geschehen. Solche Interaktionen sind wichtig für die Entwicklung sozialer Fähigkeiten und Freundschaften.
Lust auf das freie Spielen machen
Insgesamt haben Eltern sowie auch die Erzieher in der Kita einen tiefgreifenden Einfluss auf die Spielkultur der Kinder. Es bedarf Spielräume zur freien Entfaltung und Spielräume für freie Entscheidungen.
„Rogers/Evans (2008) haben Kinder beobachtet und festgestellt, dass Kinder das Spiel vorrangig nutzen, um Freundschaften zu peers aufzubauen und zu pflegen. Ihnen ist wichtiger, dass sie mit ihren Freunden spielen, als was oder wie sie spielen. Zeit mit Freunden zu verbringen steht im Zusammenhang mit emotionaler Stabilität und Well-being“ (Quelle: O´Conner (2014): Spiel und Pädagogik im Kindergarten. Deutsches Jugendinstitut e.V. München). Spielende Kinder heißt also glückliche Kinder.Durch aktives Engagement, das Schaffen von Spielmöglichkeiten und die Förderung von sozialen Interaktionen kann dazu beigetragen werden, dass Kinder wieder Lust auf das freie Spielen bekommen. Kinder sind von Natur aus Entdecker, Eroberer und Forscher. Wenn sie die Möglichkeiten erhalten, sich frei zu bewegen, Dinge auszuprobieren und dabei von Vorbildern begleitet werden, sehen sie die Welt als großen Spielplatz mit all seinen Chancen.