Veränderte Kindheit in veränderten Zeiten
Die Kindheit früher war von harter Arbeit geprägt. Die Beziehungen zu den Eltern damals waren viel weniger emotional und nah wie zu den heutigen Eltern. Der Vater galt als eine besondere Respektsperson. Während dieser häufig unnahbar wirkte, diente die Mutter als Drohgebärde. Ein häufig genutzter Satz war: „Warte ab bis Papa nach Hause kommt“
Die Beziehungen zu den eigenen Vätern heute erweisen sich als viel liebevoller. Allgemein betrachtet nehmen Väter heutzutage eine ganz neue und andere Rolle in der Erziehung ein. Ebenso muss die harte Arbeit auf dem Ackerland heute auch nicht mehr derart getätigt werden. Im Gegenteil, die Kinder erleben heute Freizeitstress und werden von einem Termin zum nächsten gefahren.
Kaum zu glauben, aber: Die Kindheit heutzutage wird genauso intensiv durchorganisiert wie der Tag eines Managers. Das Elternsein hat sich besonders stark gewandelt, da die gesellschaftlichen Erwartungen an das Elternsein sich im Laufe der Zeit verändert haben. Das Idealbild einer Großfamilie aus den 1950er Jahren wird zunehmend abgelöst von 2-Kind- oder 1-Kind-Familien, Patchwork-Familien, sowie alleinerziehende Elternteile.
Hierdurch haben sich Erziehungsvorstellungen wie z.B. Perfektionismus, Emotionalisierung, Eltern/Kind Verhältnis sehr stark auf das Kind konzentriert. Die Kinder standen selten so viel im Fokus für Eltern, Pädagogen und Gesellschaft wie heute. Die Kinder in der heutigen Zeit müssen sich immer mehr mit weniger Spielraum für sich auseinandersetzen. Ursachen hierfür sind ein stärkeres Verkehrsaufkommen, Spielen wird zum Termingeschäft und natürliche Spielräume gehen leider immer mehr verloren.
Traurigerweise machen Kinder immer häufiger die Erfahrung, keine Zeit mehr für Spiel & Spaß und Kindsein zu haben. Die Kindheit hat sich beschleunigt.
Heute haben Kinder überaus viele Möglichkeiten sich in ihrer Freizeit zu beschäftigen. Hinzu kommt auch eine Kommerzialisierung der Kinderkultur. Kinder besitzen so viele Spielsachen wie noch nie zuvor. Man spürt hier deutlich unseren Konsumdrang und Überfluss. Ein weiterer nicht unerheblicher Faktor ist, dass Medien die Zeit von Kindern bindet, sowie ihre volle Aufmerksamkeit. Kinder können genauso süchtig werden von Medienkonsum wie Erwachsene auch, wenn nicht sogar noch stärker. Dr. med. Heidrun Thaiss,Leiterin der BZgA, betont: „Digitale Medien können per se sinnvoll sein. Wenn sie entsprechend genutzt werden, sollten sie eine Bereicherung darstellen, Spaß machen und beim Lernen hilfreich sein. Sie gehören auch für Jugendliche inzwischen selbstverständlich zum Alltag. Solange der Medienkonsum nicht die komplette Freizeit ausfüllt und das familiäre Miteinander belastet, ist das richtige Maß gegeben. Eltern sind mit ihrer Mediennutzung auch hier Vorbild für ihre Kinder. Sie sollten die gemeinsame Zeit als wertvoll und unwiederbringlich verstehen. Es ist wichtig, dass Familien die Freizeit möglichst gemeinsam aktiv gestalten und bewusst genießen.“ Quelle: Kindergesundheit.info.de / Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung
Veränderte Kindheit in veränderten Zeiten
Sehr häufig zeigen heutige Kinder starke Verhaltensauffälligkeiten und Wutanfälle, deren Ursache in sozialen Problemen, psychischen Störungen oder körperlichen Erkrankungen und Beeinträchtigungen als Folge der veränderten Lebensumstände liegen. Einer der häufigsten Symptome liegt im emotionalen Bereich. Das liegt mitunter auch daran, dass die Mattscheibe eines Kindes keine Emotionen bindet. Die Fähigkeit zur Selbstregulation in Stresssituationen ist nicht vorhanden, ebenso ist die Frustrationstoleranz noch nicht ausgereift oder richtig trainiert. Das bedeutet: Wenn ein Kind frustriert ist, schafft es nicht, sich selbst zu regulieren und sich selbst zu überprüfen, sowie sich selbst zu fragen: “Wo gehe ich mit meiner Wut hin?“. Dann ist klar, durch die häufige Bildschirmzeit, explizit durch den Fernseher, existiert kein Regulativ mehr. Durch den erhöhten Medienkonsum verlernen die Kinder das soziale Miteinander, das führt immer häufiger zu Distanzlosigkeit und Interesselosigkeit.
Durch die Überstimulierung weniger Sinne, wie das Sehen und Hören, resultieren besorgniserregende Störungen in der Wahrnehmung und in der Konzentration. Hinzu kommen körperliche Auffälligkeiten durch Bewegungsarmut wie Adipositas schon in jungen Jahren und psychosomatische Störungen wie Nervosität, Einnässen und Schlafstörungen.
Kinder benötigen vielfältige und kreative Spielmöglichkeiten, die sie auf verschiedenen Ebenen, das heißt Kopf, Herz und Hand, fordern und fördern. Kinder benötigen vor allem eigene Körpererfahrungen, die durch die Natur –> der natürlichen Lebenswelt der Menschen gegeben sein sollten.
→ Text zu den Stichpunkten:
Tom ist ständig gereizt. Nein, er ist kein überarbeiteter Manager, Tom ist erst 11 Jahre alt und geht in die 5. Klasse.
Durch Veränderungen der Umwelt wird Kindern wie Tom immer mehr der Umgang mit ihrer wahren Lebenswelt verwehrt.
Sowohl in körperlichen, seelischen als auch motorischen Veränderungen macht sich dies deutlich bemerkbar.
Tom war mal ein sehr an Fußball interessierter Junge, er hat das Spielen geliebt. In der Freizeit hat er ab und an gemalt, leider ist diese Lust im Laufe der Zeit immer weniger geworden. Heute verfolgt er seine Interessen nur noch sehr selten.
Der Verlust an körperlichen, echten, sinnlichen Erfahrungen wird immer weniger.
Sowohl der Mangel an körperlichen Erfahrungen, als auch sich aktiv mit dem eigenen Körper der Umgebung auseinanderzusetzen, trägt zu einer großen Beeinträchtigung der kindlichen und jugendlichen Entwicklung bei.
Im Alltag sitzt Tom in der ersten Hälfte des Tages in der Schule, anschließend sitzt er zu Hause vor seinen Hausaufgaben und danach sitzt er wieder – und zwar vor dem Fernseher. Er möchte sich vom bunten TV-Programm berieseln lassen, da der Tag sich schon sehr anstrengend und reizüberflutend für ihn angefühlt hat.
Leider fühlt sich Tom ständig gereizt, er ist unkonzentriert, hat das Interesse an sportlichen Aktivitäten im Laufe der Zeit verloren. Früher hat er eigentlich gerne Fußball gespielt. Das hat sehr nachgelassen.
Die Auswirkungen auf die Eltern:
Die heutige Zeit hat nicht nur Einfluss auf die Kinder, sondern auch deren Eltern.
Viele Eltern fühlen sich sehr verunsichert, da sie das Gefühl haben, dass die Erziehung immer mehr Expertise erfordert. -> Was Gefühle wie Überforderung und Hilflosigkeit bei den Eltern auslösen können.
Das liegt ebenso an all´ den Veränderungen, die die letzten Jahrzehnte mit sich gebracht haben. Die Eltern von Tom fühlen sich mit der Gesamtsituation sehr überfordert, beide sind berufstätig und ihnen fehlt die Zeit, um sich viel mit ihrem heranwachsenden Jungen zu beschäftigen. Auch die Eltern erleben, ebenso wie Tom, einen straffen Zeitplan mit vielen Umweltreizen, denen sie ausgesetzt sind. Dadurch wird das Kind oft vor dem Fernseher geparkt, da das eine sehr bequeme Lösung darstellt.
Fazit:
Damit es sowohl Tom als auch seinen Eltern wieder besser gehen kann, sollten Hobbies, gemeinsame Aktivitäten, reichlich verbrachte Zeit in der Natur und eine völlige Veränderung im gesamten Lebensstil integriert werden. Wir können den Veränderungen in dieser neuen Zeit nur gerecht werden, wenn wir gut auf uns und unsere Kinder achten.
Für die Mediennutzungsdauer gibt es entsprechend dem Alter von Kindern folgende Regeln, die als Orientierung dienen können:
- Kinder im Alter von 0 bis 3 Jahren: keine Bildschirmmedien nutzen
- Kinder im Alter von 3 bis 6 Jahren: höchstens 30 Minuten täglich
- Kinder im Alter von 6 bis 10 Jahren: höchstens 45 bis 60 Minuten täglich
Quelle: Bundeszentrale
für gesundheitliche Aufklärung